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Mitarbeitern mehr Freiraum geben

Für viele Unternehmen ist erst eine Krise der Anlass, sich mit Innovationen auseinanderzusetzen. Doch dies sollte zur Daueraufgabe werden, um im Wettbewerb bestehen zu können. [13.02.2006]




"Business as unusual", so lautet das Motto von Dr. Markus Wendt, Unternehmensberater von HR-Concept aus Eltville. Doch 2005 lag Deutschland im Innovations-Benchmarking des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln nur auf Platz acht der sechzehn teilnehmenden Länder. Allerdings findet in den Unternehmen ein Umdenkungsprozess statt. Dies zeigt die Management-Studie 2005 "Mittelstand in Deutschland" des Verbands Wirtschaftsjunioren Deutschland in Kooperation mit der Haufe Akademie: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, fokussieren sich Unternehmen inzwischen weniger auf Standortnachteile, sondern auf beeinflussbare Handlungsfelder. "Wenn nicht mehr die Steuern, Abgaben und Löhne den Unterschied machen, können es nur die Innovationen sein", so Thorsten Westhoff, Bundesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren Deutschland. Danach halten 82 Prozent der Führungskräfte die Initiierung von Innovationen und neuen Produkten für wichtig, um betriebliche Herausforderungen zu lösen.

Gruppendenken und Gleichförmigkeit wirken lähmend

"Leider spiegelt sich Innovationskultur oft nur in Hochglanzbroschüren wider und schlägt sich im Tagesgeschäft nicht nieder", beobachtet Wendt, "zu hektisch, zu viel Druck, zu wenig Freiräume." Als nicht förderlich erweist sich unter anderem das Gruppendenken, das in hierarchisch gegliederten Unternehmen auf Ebene des Top-Managements oft vorherrscht, stellt Professor Dr. Dieter Frey von der Ludwig-Maximilians-Universität München fest. Zudem seien Führungskräfte oft konservativ und risikoscheu, eine rationale Diskussion unkonventioneller neuer Ideen fände nur selten statt. Auch eine Befragung der Universität Sankt Gallen & Deep White bestätigt, dass starre Hierarchien und Strukturen, falsche Harmonie statt Fehler- und Streitkultur sowie ständige Kontrolle und Bewertung eher erfolgshemmend sind.

Unternehmen sollten auch "spinnerte" Ideen zulassen

Wendt plädiert dafür, auch Querdenkern eine Chance zu geben: "Sie sind zwar meist die Hofnarren, aber im Grunde sollte jeder mal die Narrenkappe tragen." Der Unternehmensberater schlägt vor, den Begriff Diversity auch in Bezug auf verschiedene Persönlichkeitstypen im Unternehmen auszuweiten, um gegen die oft vorherrschende Betriebsblindheit anzukämpfen. Eine Enquete der Akademie Schloss Garth Die Denkfabrik GmbH fand nach einer Langzeituntersuchung von 432 Innovationsprojekten heraus, dass Unternehmen erfolgreiche Renditen unter anderem deshalb erzielen, wenn sie es jedem Mitarbeiter ermöglichen, in Erkenntnis eigener Schwächen auf den anderen zuzugehen und sich mit ihm zu ergänzen.

Wer innovativ sein will, muss seine Komfortzone verlassen

Eine Innovationskultur kann nur mit entsprechendem Management-Know-how und mit qualifizierten und motivierten Mitarbeitern gedeihen. Immerhin 85 Prozent der befragten Führungskräfte sind der Meinung, dass die Potenziale der Mitarbeiter besser genutzt werden müssen. Allerdings reicht das betriebliche Vorschlagswesen nicht aus, "das ist durch deutsche Gründlichkeit ad absurdum geführt worden", findet Wendt. "Voraussetzung für eine gute Innovationskultur ist zunächst die Bereitschaft, sowohl im Innenverhältnis Dinge in Frage zu stellen als auch Kundenorientierung nicht als Ärgernis zu betrachten, sondern als Quelle für Neuerungen." Unternehmen müssten dabei bereit sein, auch Fehler einzukalkulieren und eine Risikokultur einzuführen, denn nicht jede Innovation zahle sich aus.

Die Angst vor Veränderungen ist oft unbegründet

Was tun, wenn die Mitarbeiter nicht mitziehen, fragen Unternehmen häufig. "Viele Ängste sind nur vorgeschoben oder gar nicht vorhanden", begegnet Wendt diesen "Argumenten". Schon oft habe sich durch eine Mitarbeiterbefragung oder ein Gespräch externer Berater mit dem Betriebsrat herausgestellt, dass die Mitarbeiter viel offener sind als erwartet. Eine bundesweite Mitarbeiterbefragung bei einem Autovermieter ergab zum Beispiel, dass niemand im Unternehmen mit der bisherigen Situation glücklich war. Dadurch konnte eine Veränderung zum Positiven in Gang gesetzt werden. "Und ist der Knoten einmal durchgeschlagen, sprudeln die Ideen nur so."

Mitunternehmertum beim IT-Dienstleister Emprise

Einige Unternehmen fördern eine permanente Innovationskultur durch partizipative Ansätze von inhaltlicher bis finanzieller Mitarbeiterbeteiligung. Beim IT-Dienstleister Emprise Management Consulting AG mit 250 Mitarbeitern an verschiedenen Standorten fungiert jeder Standort als Einzelunternehmen, jeder Manager ist beteiligt. Darüber hinaus können die Mitarbeiter auch Spin-Offs gründen. "In diesem 'Unternehmer-Unternehmen' wird Entrepreneurship nicht von oben aufgesetzt, sondern kommt von unten: Jeder Mitarbeiter ist Unternehmer seiner selbst und seiner Berufsbiografie", erklärt Jürgen Alexander Lehmann von der Emprise Human Value GmbH in Wiesbaden, als Geschäftsführer zuständig für die Umsetzung des Konzepts "Unternehmer-Unternehmen".

Jeder neue Mitarbeiter setzt sich ein halbes Jahr lang mit der Unternehmenskultur auseinander. Anschließend präsentiert er seine bisherige Berufsbiografie und das, was er im und für das Unternehmen tun möchte. In Abstimmung mit dem Geschäftsführer wird geprüft, welche der Vorstellungen des Mitarbeiters in die Unternehmensstrategie passen und welche Personalentwicklungsmaßnahmen und strategischen Initiativen sich daraus ableiten lassen. "Jeder ist gefordert, Innovationsideen einzubringen". Seminare unterstützen dabei die Kreativität und das freie Denken der Mitarbeiter.

Die Besinnung auf vorhandene Kräfte setzt Energien frei

Ein Unternehmen, in dem jeder Mitarbeiter Höchstleistungen erbringt und sich für die Zukunft seiner Organisation selbst verantwortlich zeigt, bestätigt Wendt, schafft die Basis für wirkliche Kunden- und Konkurrenzorientierung sowie für konsequente Prozess- und Produktinnovationen. Aufgabe der Führungskraft sei es, Leitlinien auszuarbeiten und für Verbindlichkeit zu sorgen, so dass die Mitarbeiter Ideen entwickeln, die zur Unternehmensstrategie passen und diese auch zügig umsetzen. "Dabei muss die Personalabteilung auch als Ideengeber fungieren", fordert Wendt. "Das klappt aber nur, wenn sie sich wieder auf ihre Kernkompetenzen besinnt und dafür Ressourcen schafft, zum Beispiel dadurch, dass administrative Prozesse durch neue Technologien verschlankt werden."

Unternehmen, die befürchten, keine Kraft für Veränderungen aufzubringen, setzt Wendt entgegen, dass es oft ausreiche, sich vor Augen zu halten, welche positiven Kräfte man in der Vergangenheit entwickelt habe, um im Wettbewerb zu bestehen: "Diese vorhandenen Kräfte müssen nur wieder entfesselt werden."

(Ute Wolter / Bild: Brand X)