http://www.welt.de/data/2004/06/25/296063.html?search=philips-chef&searchHILI=1



Philips-Produkte sind zu kompliziert für die eigenen Manager

Sogar Experten hatten Schwierigkeiten mit der Bedienung - Änderung der Produkt-Philosophie - Bildschirmhersteller Philips LCD soll im Juli an die Börse

von Helmut Hetzel

Amsterdam -  Philips-Chef Gerard Kleisterle machte kürzlich einen Test. Er gab einer Gruppe von führenden Philips-Managern übers Wochenende eine ausgewählte Zahl von Philips-Produkten mit nach Hause. Die sollten sie in aller Ruhe einmal ausprobieren und ihm dann berichten, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. "Es wurde ein Drama", so Kleisterlee. "Die meisten unserer Manager konnten mit unseren eigenen Produkten nicht umgehen." Kleisterlee zog daraus Konsequenzen. Zusammen mit dem neuen Philips-Manager für Marketing, dem Italiener Andrea Ragnetti, entwickelte er eine neue Marketing-Strategie mit der Europas führender Elektronik- und Medizintechnikkonzern künftig wieder wachsen will. So will Kleisterlee das angestrebte organische Wachstum in den nächsten "drei bis vier Jahren" realisieren. Alle Philips-Mitarbeiter wurden inzwischen per Video-Botschaft über die neue Strategie unterrichtet. Philips-Produkte müssten für den täglichen Bedarf gemacht, leicht bedienbar und technische Spitzenprodukte sein.

Als Beispiel für die neue Einfachheit nach der Philips strebt, nannte Kleisterlee die gemeinsam mit dem Kaffeeproduzenten Douwe Egberts entwickelte Kaffeemaschine Senseo. Senseo hat nur drei Bedienungsknöpfe für drei verschiedene Kaffeesorten.

So nutzerfreundlich wie die Senseo-Kaffeemaschine sollen künftig alle Philips-Produkte werden, auch DVD-Spieler und digitale Fotokameras. Eine solche neue digitale und bedienungsfreundliche Fotokamera, die nur etwa so groß ist wie eine Streichholzschachtel und nur 45 Gramm wiegt, hat Philips gerade auf den Markt gebracht.

Ein weiteres Ziel von Kleisterlee ist der geplante Börsengang des mit der südkoreanischen LG Elektronic betriebenen Gemeinschaftsunternehmens LG Philips LCD. Wahrscheinlich kann der Börsengang bereits im Juli über die Bühne gehen. Mit einem Volumen von zwei Mrd. Dollar wird es der größte Börsengang eines Elektronikunternehmens in diesem Jahr.

LG Philips LCD produziert Flachbildschirme für Computer und flache TV-Geräte und ist auf diesem Sektor zusammen mit der koreanischen Samsung Weltmarktführer. Im vergangenen Jahr steigerte LG Philips den Umsatz um die Hälfte auf 4,5 Mrd. Euro und erwirtschaftete einen Nettogewinn von 783 Mio. Euro. Auf Grund der stetig steigenden Nachfrage nach Flachbildschirmen wird in diesem Jahr mit einem neuerlichen Umsatzsprung von bis zu 43 Prozent auf zirka 6,4 Mrd. Euro gerechnet. Der Nettogewinn soll nach Schätzungen von Analysten in diesem Jahr auf 1,3 Mrd. Euro schnellen.

Wahrscheinlich trägt auch die laufende Fußballeuropameisterschaft in Portugal und die bevorstehende Olympiade in Griechenland zu dem Nachfrageschub nach Flachbildschirmen bei. Kleisterlee dämpft in diesem Zusammenhang jedoch die hoch gesteckten Markterwartungen.

Sehr viel verspricht sich Kleisterlee von der Marktentwicklung in China. Im Reich der Mitte, das nach den USA und noch vor Deutschland inzwischen der wichtigste Markt des niederländischen Elektronikmultis ist, sollen die Umsätze in den kommenden drei Jahren auf 12 Mrd. Euro nahezu verdoppelt werden, hebt der Philips-Chef hervor.

Für das kommende Jahr sind die Aktien mit einem geschätzten KGV von 11 bewertet. Der Börsenwert von Europas größtem Elektronikkonzern beträgt derzeit rund 29 Mrd. Euro. Die Halbleitersparte floriert wieder ebenso wie das Geschäft mit medizinischen Geräten und Systemen mit dem Philips in diesem Jahr eine Bruttoumsatzrendite von 14 Prozent erwirtschaften will. In Deutschland ist es Philips in diesem Jahr sogar gelungen, Sony als führenden Elektronikanbieter zu überflügeln. Mit Kleisterlees neuem Marketingansatz, könnte der Konzern weitere Marktanteile gewinnen und weiter wachsen, wenn dem Konsumenten die neue Einfachheit gefällt.

Artikel erschienen am 25. Juni 2004