Amsterdam - Philips-Chef Gerard Kleisterle machte
kürzlich einen Test.
Er gab einer Gruppe von führenden Philips-Managern übers
Wochenende
eine ausgewählte Zahl von Philips-Produkten mit nach Hause. Die
sollten
sie in aller Ruhe einmal ausprobieren und ihm dann berichten, welche
Erfahrungen sie damit gemacht haben. "Es wurde ein Drama", so
Kleisterlee. "Die meisten unserer Manager konnten mit unseren eigenen
Produkten nicht umgehen." Kleisterlee zog daraus Konsequenzen. Zusammen
mit dem neuen Philips-Manager für Marketing, dem Italiener Andrea
Ragnetti, entwickelte er eine neue Marketing-Strategie mit der Europas
führender Elektronik- und Medizintechnikkonzern künftig
wieder wachsen
will. So will Kleisterlee das angestrebte organische Wachstum in den
nächsten "drei bis vier Jahren" realisieren. Alle
Philips-Mitarbeiter
wurden inzwischen per Video-Botschaft über die neue Strategie
unterrichtet. Philips-Produkte müssten für den täglichen
Bedarf
gemacht, leicht bedienbar und technische Spitzenprodukte sein.
Als Beispiel für die neue Einfachheit nach der Philips strebt,
nannte
Kleisterlee die gemeinsam mit dem Kaffeeproduzenten Douwe Egberts
entwickelte Kaffeemaschine Senseo. Senseo hat nur drei
Bedienungsknöpfe
für drei verschiedene Kaffeesorten.
So nutzerfreundlich wie die Senseo-Kaffeemaschine sollen
künftig alle
Philips-Produkte werden, auch DVD-Spieler und digitale Fotokameras.
Eine solche neue digitale und bedienungsfreundliche Fotokamera, die nur
etwa so groß ist wie eine Streichholzschachtel und nur 45 Gramm
wiegt,
hat Philips gerade auf den Markt gebracht.
Ein weiteres Ziel von Kleisterlee ist der geplante Börsengang
des mit
der südkoreanischen LG Elektronic betriebenen
Gemeinschaftsunternehmens
LG Philips LCD. Wahrscheinlich kann der Börsengang bereits im Juli
über
die Bühne gehen. Mit einem Volumen von zwei Mrd. Dollar wird es
der
größte Börsengang eines Elektronikunternehmens in
diesem Jahr.
LG Philips LCD produziert Flachbildschirme für Computer und
flache
TV-Geräte und ist auf diesem Sektor zusammen mit der koreanischen
Samsung Weltmarktführer. Im vergangenen Jahr steigerte LG Philips
den
Umsatz um die Hälfte auf 4,5 Mrd. Euro und erwirtschaftete einen
Nettogewinn von 783 Mio. Euro. Auf Grund der stetig steigenden
Nachfrage nach Flachbildschirmen wird in diesem Jahr mit einem
neuerlichen Umsatzsprung von bis zu 43 Prozent auf zirka 6,4 Mrd. Euro
gerechnet. Der Nettogewinn soll nach Schätzungen von Analysten in
diesem Jahr auf 1,3 Mrd. Euro schnellen.
Wahrscheinlich trägt auch die laufende
Fußballeuropameisterschaft in
Portugal und die bevorstehende Olympiade in Griechenland zu dem
Nachfrageschub nach Flachbildschirmen bei. Kleisterlee dämpft in
diesem
Zusammenhang jedoch die hoch gesteckten Markterwartungen.
Sehr viel verspricht sich Kleisterlee von der Marktentwicklung in
China. Im Reich der Mitte, das nach den USA und noch vor Deutschland
inzwischen der wichtigste Markt des niederländischen
Elektronikmultis
ist, sollen die Umsätze in den kommenden drei Jahren auf 12 Mrd.
Euro
nahezu verdoppelt werden, hebt der Philips-Chef hervor.
Für das kommende Jahr sind die Aktien mit einem
geschätzten KGV von 11
bewertet. Der Börsenwert von Europas größtem
Elektronikkonzern beträgt
derzeit rund 29 Mrd. Euro. Die Halbleitersparte floriert wieder ebenso
wie das Geschäft mit medizinischen Geräten und Systemen mit
dem Philips
in diesem Jahr eine Bruttoumsatzrendite von 14 Prozent erwirtschaften
will. In Deutschland ist es Philips in diesem Jahr sogar gelungen, Sony
als führenden Elektronikanbieter zu überflügeln. Mit
Kleisterlees neuem
Marketingansatz, könnte der Konzern weitere Marktanteile gewinnen
und
weiter wachsen, wenn dem Konsumenten die neue Einfachheit gefällt.
Artikel erschienen am 25. Juni 2004