Mit veraltenden Datenträgern verschwinden wertvolle Informationen Vergessene Speicher, vergessene Welten
Von HEINZ SCHMITZ Da war sie wieder. Lange nicht mehr gesehen, aber wiedererkannt. Ein schwarzes, knapp 20 Zentimeter großes Stück flexiblen Plastiks, mit Pappe umhüllt und mit zwei Löchern versehen - die gute alte Bekannte, die 8-Zoll- Floppy. Sie war die erste ihrer Art, wurde von Tüftler Shugart entwickelt und war zu ihrer Zeit ein einfach zu transportierender Datenträger, der schneller als die damals üblichen Magnetbänder war. Speicherkapazitäten von bis zu sagenhaften 720 Kilobyte wurden erreicht.
Aber wer hat heute noch ein 8-Zoll-Floppylaufwerk, und welches Datenformat darf es bitte sein? Hier wäre vielleicht eine Adresse das Computermuseum im Boston, wo es viele Totgeglaubte aus der EDV-Welt zu bewundern gibt. Die Hieroglyphen, die Keilschrift und wie auch immer die Zeugen der längst untergegangenen Kulturen heißen, sind ein lohnendes Betätigungsfeld für Forscher. In ein paar tausend Jahren, wenn Archäologen beginnen unsere Kultur auszugraben, haben sie es viel schwerer. Unser Hausmüll besteht nicht aus Schrifttafeln und Papiernotizen, sondern aus Datenträgern: unzerstörbarer Kunststoff mit Magnetpartikeln beschichtet. Doch ihre Informationen werden den Urururenkeln Schliemanns trotz Lupe, Mikroskop und Scanner verborgen bleiben.
In der Vergangenheit hatte man nur sehr einfache Medien für die Speicherung. Wände, Felsplatten, Papyrus und was es auch immer gab, wurden als Grundlage für aktuelle Notizen, Verlautbarungen und Kunstwerke genommen. Später konnten, dank Papier und Drucktechnik, geistige Ergüsse schneller einer großen Leserschaft zur Kenntnis gebracht werden. Frühe Meisterwerke dieser Massenpublizistik sind Bibel und Koran.
Mit unseren modernen Methoden sieht es da anders aus. Die Aufzeichnungen sind mit den natürlichen Sinnen des Menschen nicht mehr zu erfassen. Wir haben das Aufzeichnungsmedium vom Lesegerät getrennt. Da die Information aber nur durch das Zusammenspiel beider Komponenten erfahrbar ist, ist der Inhalt unwiederbringlich verloren, sobald eine Komponente nicht mehr verfügbar ist. Die letzten, noch ohne Hilfsmittel zu entziffernden Massenspeicher der Datentechnik waren Lochstreifen und Lochkarte.
Man denke nur an die tollen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, wie etwa Video 2000, Betamax, U-Matic und Ampex in der Videotechnik, Schallplatten, Tonbänder, CP/M - Disketten, 1/4-Zoll-Bandkassetten, C64-Datenkassetten, Mainframe-Wechselplatten usw. Sie sind dem Vergessen preisgegebene Datenträger, die man nur noch als funktionslosen Schmuck an die Wand hängen kann.
Die schon zitierte 8-Zoll-Floppy ist kein Einzelfall. Die nächsten Kandidaten mit Verfallsdatum stehen schon fest: Compact Kassetten, Disketten, Compact Disks, CD- ROM, Minidisc, Zip-Medien, DAT- Kassetten, Laservideodisk, VHS-Kassette, Papierfotos, Schmalfilm und DVD, um nur einige Auslaufmodelle in der immer länger werdenden Warteschlange zu nennen.