"Vielleicht, so schwant einem nach diversen Enttäuschungen, ist diese ganze Blüte der Küchenkultur, des raffinierten Gaumenkitzels, dessen Geheimnisse jedermann zugänglich und vor allem auch erschwinglich seien, nur eine Behauptung, eine Verschwörung von Heuchlern, die nur deshalb reüssiert, weil niemand zu gestehen wagt, teuer, aber schlecht gegessen zu haben. Oder wer hätte die wahre Seelengröße zu bekennen, dass die neue, mit allen Raffinessen ausgestattete Küche ihm vor allem dazu dient, eine Tiefkühlpizza in der Mikrowelle zu garen, dass bei ihm die Flasche Ketchup stets in Reichweite stehen muss oder schon die Zubereitung eines Wurstsalats mit Essig als kulinarische Ausschweifung gilt?
Wie anders aber ließe es sich erklären, dass das Lärmen und Klappern, die vielstimmigen, einander sich überbietenden Elogen auf gutes Essen, die Inflation der Rezepte und jedermann verständlichen Handreichungen, so ohne jede Resonanz und Wirkung bleiben, immer größere Landstriche in kulinarischer Hinsicht veröden, zu Fast-Food-Steppen verkommen?", SZ, 29.12.07