Thukydides. Die Unveränderlichkeit Der Menschlichen Natur.
"Wer immer schimpfte und mit nichts zufrieden war, galt für glaubwürdig, wer aber widersprach, für verdächtig.
Wenn einer mit einem hinterhältigen Schachzug Erfolg hatte, wurde er als klug angesehen,
und es war ein Zeichen noch größerer Klugheit, einen Angriff rechtzeitig zu durchschauen.
Wer sich aber selbst vorsah, um nichts mit diesen Dingen zu tun zu haben, von dem hieß es, er fürchte sich vor den Gegnern.
Denn lieber lassen sich die meisten Menschen einen gewitzten Halunken nennen als einen anständigen Dummkopf.
Des einen schämen sie sich, aber mit dem anderen geben sie an...
Thukydides misstraut den sozialen und politischen Eliten zutiefst. Seine Anthropologie ist negativ.
Den Glauben an die moralische Überlegenheit der verantwortlichen Akteure hat er längst verloren.
Egoistisch ist das Handeln aller. Rechtliche oder moralische Argumente dienen allein
der Verschleierung des rücksichtslosen Machtstrebens.
Destruktives Handeln hat seinen eigentlichen Grund in dem unbändigen Drang des Einzelnen
nach höherem Ansehen und größerem Besitz,
griechisch gesprochen in der philotimia und der pleonexia.
Dieser Drang gipfelt in dem Bedürfnis, in einer Gesellschaft,
deren Prinzip der Wettbewerb ist, immer der Erste zu sein.
Philonikia nannten das die alten Griechen.
Aus persönlicher Gewinnsucht und persönlichem Ehrgeiz schadeten
die nur auf ihren eigenen Vorteil bedachten Individuen dem Gemeinwesen...", SZ, 15.11.08