Der Fluch Des Hippokrates.
"Schräg gegenüber unserem Arztzimmer gab es eine Art Abstellkammer. Der Verbandwagen wurde hier geparkt, zudem lagerten dort Reservepackungen mit Mullbinden. Der Fußboden bestand aus zerschlissenem Linoleum, das es in Patientenzimmern längst nicht mehr gab. Die Patientin wurde von den Schwestern in ihrem Bett am nächsten Tag in den Abstellraum verlegt. Sie schaute verzweifelt, als sie über den Gang geschoben wurde. Zumindest wirkte es so. In den letzten Tagen hatte sie immer wieder die Augen verdreht. Man konnte in ihren Gesichtsausdruck viel hineinlesen. Diese Patientin war nicht mehr Teil des Berufsalltags auf der Station, die Ärzte standen nicht mehr ratlos an ihrem Bett herum. Die Patientin bekam weiter ihr Essen, wurde auf die Bettpfanne gesetzt, aber Schwestern wie Ärzte machten einen Bogen um die Kammer mit der Sterbenden. Vier Tage nachdem sie über den Gang in die Kammer geschoben worden war, war die Patientin tot. Am Tag darauf war wieder Chefvisite. Der Chef fragte: »Ist sie weg?« Ja, jetzt war sie weg, endgültig. Wenige Wochen später habe ich gekündigt", SZ-Magazin, 13.04.07