ChangeX: Der alte Klassenkampf hatte seine klare Front zwischen Kapital und Arbeit. Sie sagen, jetzt geht es jeder gegen jeden. Das heißt aber auch: Die Leute sind nicht Opfer von "Nieten in Nadelstreifen", sondern mischen beim Hauen und Stechen selbst kräftig mit.
SH: Genau, die mischen kräftig mit. Freilich hat diese Verschärfung der Situation von den Chefetagen ihren Ausgang genommen, dringt aber in der Hierarchie nach unten vor. Die Mittel, die dort angewendet werden, sind andere als im Topmanagement, aber deswegen sind sie nicht besser. Es sind ganz ähnliche Strukturen und Interessenlagen, die dabei eine Rolle spielen, egal, ob es jetzt einen Manager oder einen Sachbearbeiter betrifft. Der eine scheffelt Geld, was bekanntlich nur kurzzeitig Befriedigung verschafft; der andere hält sich an dem fest, was er hat, krallt sich mit allen Mitteln und auf allen Rechtswegen an dieser Pseudo-Sicherheit des derzeitigen Arbeitsplatzes fest. Übergeordnete Werte gibt es immer weniger, und bei all dem denkt niemand an den Nutzen für das Unternehmen.
ChangeX: Sie bringen in Ihr Buch Ihre eigene Geschichte mit ein: Sie haben selbst mal in einem großen Unternehmen gearbeitet und sind dann ausgestiegen. Warum?
SH: Weil ich sehr schnell gemerkt habe, worauf es offensichtlich ankam: Mir wurde deutlich, dass man eine gewisse Extrovertiertheit an den Tag legen muss und seine Erfolgsgeschichte möglichst verkaufsfördernd an den Mann und entsprechende Mentoren auf seine Seite bringen muss, um erfolgreich zu sein. Weitgehend kompetenzfreie Menschen können mit dem entsprechenden Schauspieltalent erstaunliche Karrieren machen, sofern sie auch Netzwerke aufbauen und füttern können. Auf der anderen Seite habe ich Menschen gesehen, die sehr kompetent sind, aber genau dieses Verhalten nicht beherrscht haben - und deswegen auf der Karriereleiter ewig unten stehen blieben. Ich habe unsinnige Machtkämpfe gesehen und für mich den Entschluss getroffen, dass da nichts und niemand ist, für das und für den ich mich einsetzen möchte. Deswegen habe ich beschlossen, dieses Spiel nicht mehr mitzuspielen", http://changex.de/d_a02497.html