"Auch wenn in der Diskussion um den Klimawandel gern hervorgehoben wird, dass das "Überleben der Menschheit" auf dem Spiel stehe,
so hat eine Mehrzahl der Bundesbürger offensichtlich drängendere Alltagssorgen.
Den Versuch eines "nachhaltigen Lebensstils" unternimmt lediglich eine kleine, wenn auch diskursmächtige Minderheit,
die sich nicht zuletzt durch eine Kombination von hohen Bildungsabschlüssen und Einkommen auszeichnet.
Die gesteigerten Ansprüche an das Klimabewusstsein des verantwortungsbewussten Einzelnen sind jedoch nur
um den Preis einer Verkomplizierung seiner Alltagspraxis zu haben...
Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass Stromsparen im Haushalt zu einer Verminderung des CO2-Ausstoßes führen wird.
Dem ist jedoch mitnichten so. Denn das EU-Emissionshandelssystem ist so konstruiert,
dass das Gesamtvolumen der Emissionsberechtigungen, die von Kraftwerksbetreibern und energieintensiven Industriezweigen erworben werden müssen,
schon auf Jahre hinaus festgelegt ist, mit stetig sinkender Tendenz.
Eine verminderte Elektrizitätsnachfrage privater Haushalte ändert nichts an der Gesamtzahl der ohnehin knappen Zertifikate...
Zwar kann durch privates Stromsparen zunächst der CO2-Ausstoß eines nahegelegenen Kohle- oder Gaskraftwerks sinken,
es ermöglicht den Kraftwerksbetreibern jedoch, die nun überschüssigen Zertifikate an der Strombörse zu verkaufen.
Die Emissionen werden also lediglich verlagert, entweder auf andere Kraftwerke oder hin zu industriellen Großverbrauchern von Elektrizität.
Je mehr die umweltbewussten Haushalte einsparen, desto mehr und demzufolge günstigere Zertifikate kommen auf den Markt.
Davon profitieren vor allem energieintensive Industrien wie Stahl- und Aluminiumhütten", SZ, 11.08.08