"Umfrage um Umfrage belegt es: Wir „wissen” inzwischen, dass die Klimaerwärmung in großen Teilen menschengemacht ist und gewaltige Probleme mit sich bringen wird. Selbst 68 Prozent der Amerikaner nennen sie ein „ernstes Problem”. Fast täglich erscheinen neue Studien, neue Prognosen. Sehr häufig bewegen sie sich am oberen Rand dessen, was man noch vor ein paar Jahren als worst case erachtet hatte. Wissenschaftler, Regierungschefs, immer mehr Wirtschaftsunternehmen warnen vor den Auswirkungen der Klimaerwärmung.
Doch gleichzeitig weigern wir uns ganz offensichtlich, die Konsequenzen dieses Wissens zu begreifen – und zu handeln.
Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass sich das Verhalten der Menschen maßgeblich verändert...
Sie fliegen für weniger als 50 Euro nach Mallorca, für ein paar hundert Euro nach Thailand,
obwohl sie wissen, dass der Flugverkehr die Atmosphäre belastet.
Sie beschweren sich, wie kürzlich in einem Londoner Vorort, der eine Extrasteuer für größere Autos erheben wollte, darüber, dass sie ihre Kinder nun nicht mehr zur Schule fahren könnten, obwohl es doch gerade um die Zukunft dieser Kinder geht, die sie mit übermäßigem CO2-Ausstoß gefährden.
Wir „wissen” also – und gleichzeitig wissen wir es nicht. Wir akzeptieren die Realität des Klimawandels
– aber nicht unsere Verantwortung dafür.
Dieses Paradox ist meist nicht mit Böswilligkeit oder Faulheit zu erklären, sondern mit einer Art gelebter Schizophrenie.
Wir sind gespalten, weil wir Angst haben, weil wir verdrängen, und weil wir eine Verhaltensstruktur aus uralten Zeiten haben", SZ, 18.11.06